Spielzeiteröffnung im Theater an der Parkaue


Workshop in der Parkaue: „Sind wir noch bei Sinnen?“

An einem der letzten warmen Tage im September waren wir zu Gast in der Parkaue zur Spielzeiteröffnung. Unter dem Titel „Sind wir noch bei Sinnen?“ luden wir Kinder und Jugendliche ein, ihre Beziehung zur Natur einmal nicht über den Kopf, sondern über die Nase zu entdecken.

Schon zu Beginn lag ein spielerischer Zauber in der Luft. Wir stellten die Frage: „Wenn du an Natur denkst – was riechst du dann?“ Die Antworten kamen schnell und lebendig. Immer wieder tauchte das Bild vom Wald auf, und auch von dem Geruch der Luft, kurz nachdem es geregnet hat. Das Bild der Feuchtigkeit ist sehr dominant. Auch Pilze und Moos werden genannt. Es erinnert auch daran, dass wir uns Ende September zum Übergang in den Herbst befinden. Ein Kind rief lachend „Hundekacke!“ woraufhin ein Elternteil sofort zensieren wollte. 

Riech mal! 

Im nächsten Teil durften die Teilnehmer:innen an mitgebrachten Gläsern mit drei unterschiedlichen Gerüchen riechen:

1. Modrig und schimmlig

Ein erster Geruch führte viele Teilnehmende in dunkle, feuchte Orte. Er roch nach “Keller, in dem alte Lebensmittel vergessen wurden”, nach “Komposthaufen, auf denen Obst langsam verrottet”. Manche erinnerten sich an Blätter, die im Matsch liegen, andere sprachen von verfaulendem Apfel oder von Biomüll. Sogar das Bild von alkoholisierten Früchten tauchte auf. Der Duft erzählte, darin waren sich die Teilnehmenden einig,  von Vergänglichkeit, von dem, was vergeht und wieder in den Kreislauf der Natur zurückkehrt. Es war ein Geruch, der eher abstößt, gleichzeitig aber daran erinnert, dass auch Verfall ein Teil des Lebens ist.

2. Kräuter und Sommer

Ganz anders die zweite Duftspur: Hier öffneten sich Bilder von Gärten und Kräuterbeeten, von frischen Blumen, von Zitronenmelisse und Minze. Eine Person erinnerte der Duft an Zitronenkuchen an einem Sommertag, jemand anderes sah sich Tee trinkend, gemütlich und warm. Plötzlich stand man mitten in einem sonnigen Garten, spürte den Sommer, roch die feuchte Erde, hörte vielleicht sogar Bienen summen. Auch Küchenbilder tauchten auf: Oregano, Maggi, ein Kräutergarten, in dem man sitzt und sich wohlfühlt. Der Geruch war lebendig zwischen Kochtopf und Naturerlebnis und wir erkennen, dass durch solche positiven Assoziationen Teilnehmer*innen sich auch mehr als Teil der Natur sehen. 

3. Feuer und Rauch

Der dritte Geruch weckte sofort Erinnerungen an Feuer. Manche dachten an ein wärmendes Lagerfeuer, an Stockbrot oder Kleidung, die  noch tagelang nach Rauch riecht. Andere erzählten von Asche, von verbranntem Holz. Aber auch bedrohliche Bilder kamen auf: der Rauch eines Waldbrands, die Zerstörung, die Feuer anrichten können. Der Geruch war ambivalent. Er konnte Gemütlichkeit und Gemeinschaft hervorrufen, aber auch Angst vor Verlust und Zerstörung.

Emotionen

Die verschiedenen Riech-Beispiele sprechen dafür, dass sie nicht nur die Nase angesprochen haben. Das, was gerochen wurde, war ganz offensichtlich mit Gefühlen verbunden: Rauch erinnerte an Sommerabende draußen,  Kräuter an Geborgenheit im Garten,der Duft nach Regen brachte Ruhe und Zufriedenheit. Viele der Bilder erzählen von Momenten, in denen Natur Glück und Wohlbefinden schenkt. Auch eine Urlaubserinnerung wurde geweckt: im Garten weit weg noch es nach Minze und das Kind hat sich dahin versetzt gefühlt.

Andere Gerüche lösten gemischte Gefühle aus. Feuer wärmte und machte gleichzeitig nervös. Das Moor war geheimnisvoll  und unheimlich zugleich. Auch der Wald, Kräuter und Moos wurden teils als beruhigen,  teils als beängstigend beschrieben

Und dann gab es die Gerüche, die fast ausschließlich Abwehr hervorrufen: Kompost, modrigem Keller, Schimmel und Fäulnis. Die Biotonne im Hof riecht zwar eklig, aber der Geruch ist familiär. Auch Maggi kam überraschend schlecht weg. Und mit einem Schmunzeln, aber ebenso deutlich, nannten Kinder Gerüche wie Tier- oder Hundekot: nervös, albern, wütend. Hier zeigte sich, dass nicht jeder Duft schöne Erinnerungen wachruft, obwohl auch diese Gerüche zum natürlichen Kreislauf gehören.

Abschluss und Fazit

Der Versuchsaufbau zeigte: Geruchsinformationen gelangen direkt ins limbische System. Diese direkte Verbindung erklärt, warum Gerüche intensive emotionale Reaktionen auslösen können – etwa Wohlgefühl beim Duft von frischem Gras oder Ekel bei fauligem Geruch.

In der Abschlussrunde sprachen wir darüber, warum es wichtig ist, Natur nicht nur als schöne Kulisse zu erleben, sondern auch in ihrer Vielfalt wahrzunehmen. Denn gerade Gerüche machen bewusst, wie eng wir mit natürlichen Prozessen verbunden sind: „Ohne Natur kann man nicht atmen“, sagte ein Kind, ein anderes ergänzte „Sie ist gerade auch für die Tiere ganz, ganz wichtig.“ 

Mehrfach wurde die Schutzfunktion der Sinne hervorgehoben: Früher halfen sie, Giftiges zu erkennen, heute etwa, um verdorbene Lebensmittel wahrzunehmen. Andere betonten die Bedeutung der Natur als Spielraum, in dem man anders riecht, spürt und denkt als in der Stadt. Auch der Gedanke, dass Wälder nicht bedenkenlos abgeholzt werden dürfen, fand seinen Platz.

Gerüche erweitern das sensorische Spektrum und schaffen eine tiefere, authentische Verbindung zur Umwelt. Wer durch den Wald geht und dessen typischen Duft wahrnimmt, fühlt sich eingebunden und emotional berührt. Ebenso wurde diskutiert, was es bedeutet, wenn wir Tiere und ihre Produkte nur noch aus dem Supermarkt kennen – ohne Stallgeruch beim Eierholen oder den Duft frisch gepflückter Erdbeeren.

Ein bestimmter Naturgeruch kann unvermittelt Kindheitserinnerungen oder frühere Naturerfahrungen hervorrufen. Ein entsprechender Effekt, nennt sich: Proust-Effekt und beschreibt, wie ein Geruch plötzlich eine ganze Szene mit Gefühlen, Bildern und Gedanken ins Bewusstsein ruft. So wird die Naturwahrnehmung emotional aufgeladen und subjektiv intensiviert.

Die Diskussion zeigte insgesamt, wie unmittelbar Gerüche den Zugang zur Natur öffnen und wie sehr sie Erinnerungen und Gefühle prägen. Gerüche sind ein Schlüssel – sie öffnen Türen zu Geschichten, Emotionen und Erfahrungen, die verdeutlichen, warum es so wichtig ist, Natur wahrzunehmen, zu verstehen und zu schützen.